Klabautermann

"Eines Tages machten wir uns dann auf, mit einer kleinen Bark die uns die Insulaner schenkten, unsere Crew zu suchen. Wir segelten zum Piratenstützpunkt nach St-Pierre zur Insel Dina Arabica. Zu unserer Überraschung sahen wir dort die Quedah Merchant, die wir ja zuvor im Sturm, vor der Begegnung mit dem "Fliegenden Holländer", verlassen hatten, um uns zu retten, als sie kurz vor einem Felsen war und an welchen sie im tobenden Meer hätte zerschellen müssen. Doch da lag sie nun vor uns. Kein Splitter an ihr fehlte.

Wie wir später erfuhren, segelte das Schiff nur haarscharf am Felsen vorbei und die Mannschaft hatte alle Hände voll zu tun das Schiff nicht untergehen zu lassen, während wir damals mit unserer kleinen Schaluppe weit ins Meer hinausgetrieben wurden.
Doch jetzt liefen wir in den Hafen ein und uns war gar nicht wohl dabei die restliche Mannschaft nun wiederzusehen, hatten wir sie doch im Moment der Gefahr im Stich gelassen, um unser eigenes Leben zu retten, welches uns jetzt so jämmerlich und gering vorkam, da wir nun nichts mehr hatten außer unserem nackten Leben, wenn nicht... ja, wenn ich nicht eine goldene Idee gehabt hätte.

Es sollte uns die Quedah Merchant zurückbringen, mitsamt einer neuen Mannschaft. "


Hier machte der Klabautermann eine kurze Pause, ging langsam, ja bedächtigen Schrittes, auf und ab, seinen Kopf tief nach unten gebeugt und ich hörte erst mal nichts weiter als ein unverständliches Gemurmel, welches aus seinem buschigen Bart zu kommen schien.

"Was ist denn?" fragte ich, "Weißt du nicht mehr weiter?"

"Doch, doch, weiter weiß ich schon, doch fällt es mir schwer, hier nun die richtigen Worte zu finden. Weißt du, viele Menschen sind Spieler. Es ist wie eine Sucht, eine Krankheit. Kein Spiel können diese Leute auslassen, selbst wenn sie Haus und Hof verspielen und ihre Familien nun deswegen kein Dach mehr über den Kopf haben. Das wußte ich und das wollte ich ausnutzen."

"Das ist aber kein feiner Zug von dir, daß du so etwas auszunutzen weißt." gab ich mein Urteil dazu ab.

"Ach weißt du, in einer Notlage macht man noch viel mehr, was man als guter Mensch sonst nie machen würde." widersprach er erfahrungsvoll meinem Urteil. "Aber die Geschichte geht ja noch weiter. Höre gut zu!" forderte er mich auf.

"So stiegen wir am Hafen aus unserem Boot aus und steuerten die erste Spelunke an. Durst hatten wir schließlich nach einer langen Reise genügend. Als wir eintraten, war die Spelunke schon gut besucht, alle waren recht beschäftigt mit Trinken, Kartenspielen und Unterhaltungen, doch als wir eintraten, hörte alles abrupt auf, keiner bewegte sich mehr. Ungläubig schauten uns ein paar Dutzend Augenpaare an.

"Das gibt`s doch nicht!" rief da auf einmal aus der Menge der versammelten Piraten Einauge, ein erfahrener Seemann aus unserer alten Mannschaft, "Das ist doch Captain Kidd und Smutje Knurrhahn. Und da ist ja auch der Steuermann Black Jack! Aye verdammt und zugenäht, wenn ich euch selbst jetzt nicht sehen würde, ich würde glauben, euch hätte damals beim Sturm der Seeteufel geholt. Ihr wart nämlich auf einmal verschwunden. Wie vom Holzboden verschluckt."

"Wir wurden von einem Kaventsmann von Bord gespült." log ich nun, um mich elegant aus der unangenehmen Affäre zu ziehen.

"So, so, seltsam das auch die Schaluppe damals so plötzlich verschwunden war. Habt ihr die vielleicht zufällig gesehen?"

"Die Schaluppe...? Ach.... die Schaluppe! Ja, die hat uns damals das Leben gerettet. Während wir vom Schiff weit weggetrieben wurden, war plötzlich die Schaluppe da und wir konnten uns dort hineinretten."

"So, so, da habt ihr aber wirklich Glück gehabt. Und was wollt ihr jetzt hier im schönen St-Pierre? Ihr wollt doch nicht etwa die Quedah Merchant wiederhaben?"

"Doch, doch, das wollen wir. Schließlich bin ich der Kapitän dieses Schiffes und ich will wieder die gesamte Mannschaft zusammenhaben und auf Fahrt gehen."

Da brach in der Spelunke ein schallendes und hämisches Gelächter aus, von all den versammelten Piraten.

"Ihr und ein Kapitän!?! Ihr wart mal ein Kapitän! Hier würde euch niemand mehr auf ein Schiff lassen, noch nicht mal als
Schiffsjunge! "

"Jawohl, noch nicht mal als Schiffsjunge!"
tönte es von den Umherstehenden her, wie ein Chantychor.
Da waren wir nun in einer verzwickten Lage, aus der es sehr schwer war wieder herauszukommen.

"Dürfen wir denn uns zu euch setzen und mit euch einen trinken?"

"Einen trinken wollt ihr mit uns?! Nun gut, das sei euch gewährt. Wir sind ja keine Unmenschen. Also kommt und setzt euch zu uns hin. - Wirt, bring` uns Wein!"

Und als der Wirt den Wein gebracht hatte, fragte ich, ob wir nicht die Rechnung auswürfeln könnten. Wer die niedrigste Punktzahl würfelt, der zahlt.

Und das taten wir dann auch - würfeln.

Die ersten Runden verloren wir, und wir zahlten gebührend, doch dann kam das Glück auf unsere Seite. Und als wir nach ein paar verlorenen und gewonnenen Runden schon alle recht angeheitert waren, schlug ich so nebenbei vor, um die Quedah Merchant zu spielen. Augenblicklich wurde es ruhig im Lokal und man legt uns nahe lieber zu gehen, als solch` verrückte Ideen auszusprechen. Und was wir denn überhaupt schon dagegen setzen könnten?.

"Dagegensetzen werde ich, so wahr ich Captain William Kidd heiße, eine doppelte Lokalrunde. Jeder kann trinken was er will, sollte ich verlieren. Und sollte ich gewinnen, bekommt jeder der wieder bei mir anheuert, den doppelten als den üblichen Anteil an der Beute, auf unserer ersten und zweiten Fahrt. Ihr hört, den doppelten Anteil!"

Eine Weile war es nun sehr unruhig im Lokal, denn die Piraten berieten sich, und dann wurde es auf einmal wieder still, dann war es soweit, wir sollten spielen dürfen - und das taten wir dann auch.

Spannung lag im Raum, als unser Gegner seine drei Würfel über den alten Holztisch tanzen ließ. Sieben! Die drei Würfel zeigten nur sieben Punkte an. Da war es nun wirklich schwer darunter zu bleiben. Konnten wir die Punktzahl unterbieten? Lange schüttelte ich den Knobelbecher, dabei schaute ich Knurrhahn und Black Jack tief in die Augen, welche mich wiederum erwartungsvoll anblickten, mucksmäuschenstill war es um uns herum, da polterten auch schon, ohne jede Vorwarnung, meine drei Würfel über den Tisch. Fünf! Alle Punkte zusammen - ihr glaubt es kaum - fünf! Die Quedah Merchant war wieder meine und ich war wieder Kapitän. Verdammt und verteufelt noch mal, war das eine Freude!

Und den doppelten Anteil an der Beute auf den beiden ersten Fahrten wollte sich auch niemand entgehen lassen, so hatte ich schon bald wieder eine vollkommen komplette Mannschaft an Bord und wir konnten alsbald darauf in See stechen.
Wir nahmen Kurs auf Madagaskar!

Doch weit sollten wir vorerst einmal nicht kommen, denn es wurde auf dem Meere, wo wir uns befanden, windstill. Unter sengender Hitze lagen wir nun mit der Quedah Merchant im Indischen Ozean, wo sich kein Lüftchen bewegte. Die Mannschaft lungerte mißmutig auf dem Deck herum. Jede Bewegung war eine Anstrengung, und jede Anstrengung war eine zuviel in dieser Hitze. Jeder träumte mittlerweile davon, wieder an Land sein zu können, in einer Taverne Wein zu trinken, zu spielen oder eine hübsche Frau lieben zu können. Ja jeder, selbst der Kapitän, träumte vom Landgang."
da drehte sich plötzlich der Klabautermann dreimal um seine Achse ganz schnell um

- wusch-wusch-wusch -

und ich hörte das Geknarre eines in der sengenden Hitze liegenden Schiffes, mit den stöhnenden und sich quälenden Stimmen der Seeleute und wie einer von ihnen den anderen ein Gedicht von einem Landgang vortrug.

Landgang

In einer kleinen Hafenbar,
in einer verrauchten Spelunke am Kai,
dort wo schon jeder altgediente Matrose war,
hing immer über dem Eingang ein ausgestopfter Hai.

Keine Seemänner sich hier zierten,
wenn die Damen des Gewerbes sich nicht genierten,
dann gab`s Liebe pur und Rum,
das hält schließlich selbst `nen alten Seebären noch jung.

Auf den Tischen lagen oft Karten und Geld,
weil so mancher Matrose viel vom Glücksspiel hält,
verspielte er aber hier seine ganze Heuer,
dann brannte daraufhin in seiner Seele ein loderndes Feuer.

Und vor der Hafenkneipe-Laterne,
stand schon mal ein Matrose und sein Lieb,
über ihnen am Himmel die Sterne,
erscholl ihnen aus dem Meere ein Liebeslied.

Im Nebel hörte man dann und wann eines Schiffes leisen Klang,
das Leuchtfeuer seine Strahlen aufs Meer führte,
im Rauschen des Wassers vernahm man dabei den Meerjungferngesang,
dort wo Odysseus so lange Zeit umherirrte.

So gehet hin ihr Matrosen und feiert,
der Landgang soll euer Leben sein,
auf dem Land gibt`s noch immer des nachts Weib und Wein,
doch auf dem Meer dagegen weiterhin nur Mondesschein.

Nach diesem Vortrag verschwand die Geräuschkulisse wieder und Captain William Kidd erzählte weiter:

"Es vergingen noch ein paar Tage so, da zog ein Wind von Süden her auf. Selbst die ansonsten faulsten Seeleute kamen nun in Bewegung. Der Steuermann Black Jack rief: "Alles auf, setzt die Segel! Los, los, nicht so müde! Hinauf mit euch auf die Rahen und Segel los!" und während die Matrosen an den Tauen zogen und im Gleichklang: "Ho up - ho up - ho up! " riefen, kommandierte der Steuermann auch schon weiter: "Laßt die Rahsegel fallen. Und ihr da unten, holt die Schoten. Los Geien und Gordings, aber schnell! - Heißt das Segel!"

"Nachdem die Geitaue und Gordinge gelockert waren und die schwere Rah samt ihren Segel nach oben gezogen wurde, blies der Wind schon kräftig in den Stoff hinein, so daß die oben auf der Rah stehenden Matrosen alle Mühe hatten, nicht auf Deck herunter zu fallen. Nachdem so nach und nach alle Segel gesetzt waren, nahm das Schiff nun auch schon reichlich Fahrt an.

Nach zwei Tagen erreichten wir die Küste von Madagaskar. Der Zufall wollte es, daß an uns ein reich beladenes Handelsschiff vorbeisegelte, welches wir noch am selbigen Tag um ihre wertvolle Fracht erleichtern konnten. Da war die Stimmung wieder gut an Bord und wir segelten weiter bis zum Piratenstützpunkt Ste. Marie, wo es endlich den ersehnten Landgang gab.


Von hier aus sollte es einige Tage später zurück in die Heimat gehen. Dazu mußten wir uns eine neue Mannschaft aussuchen. Nicht jeder war gewillt, den Indischen Ozean zu verlassen. Und auch nicht allzuviele wollten New York sehen. So kam nur eine kleinere Mannschaft mit, als wir im November 1698 die Bucht von Ste. Marie mit der Quedah Merchant wieder verließen.

Wir segelten um das Kap der Guten Hoffnung, hinein in den Atlantik. Dabei blieben wir die nächste Zeit immer in Sichtweite des westafrikanischen Festlandes und segelten nach Norden weiter bis zum Kapverdischen Meer.

Auf unserer Heimreise machten wir eine Pause auf den Kapverdischen Inseln, um unser Schiff gründlich zu überholen. Während die Crew nun zimmerte und hämmerte, was sich bis in den späten Abend hinzog, zog ich mich vor Sonnenuntergang von der Crew zurück und machte einen ausgedehnten Spaziergang am Strand, um über Gott und die Welt, sowie über mich, nachzudenken. Der Wind blies von West, also von Land her aufs Meer, und ich stapfte meine Fußabdrücke tief in den Sand. Nachdenklich, traurig und ein wenig sentimental, wie ich es zuvor selten war, setzte ich mich auf einen großen Stein und schrieb ein Gedicht nieder - denn Papier, Tinte und Feder hatte ich in selbiger Absicht schon mitgenommen -, indem ich über die vielen verpaßten Gelegenheiten in meinem Leben nachdachte, ja man kann auch sagen: philosophierte."
da drehte der Klabautermann sich dreimal um seine eigene Achse ganz schnell um

- wusch-wusch-wusch -

und ich hörte leise das plätschern des Wassers an einem Sandstrand, sogar wie die Vögel zwitscherten und flatterten, selbst wie Heuschrecken zirpten, auch spürte ich wie der Wind wehte und mir dabei sanft durchs Haar strich, wobei in diesem Ambiente der Klabautermann eine traurige Mine aufsetzte und ein schönes sowie sinniges Gedicht von sich hören ließ.

Verpaßte Chance

Deine Lebenszeit die verrinnt,
so wie Sand versprüht im Wind.
Von der Luft getragen
geht sie hinaus und verstreut sich -
weit übers Meer;
gewogen von den Wellen
schaukelt sie nun daher.

Hab` also gut acht,
was mit deiner Lebenszeit du machst,
sie ist wie ein Schiff am Kai;
wie eine Liebe wartet sie dort auf dich,
doch irgendwann ist es vorbei -
mit der langen Warterei.

Dann geht sie wieder auf große Fahrt,
hinaus aufs ferne Meer,
du siehst zuletzt nur ihr hinterher -
und dabei dem Sonnenuntergang vor der Nacht,
indem Mond und Sterne dich bald bewacht,
dann, ja dann, blutet deine Seele sehr,
denn zu oft im Leben
rennt man seiner verpaßten Chance hinterher.

Dann bleiben dir an ihr nur noch die Gedanken und Träume,
welche zart sind wie Meeresschäume,
und verstohlen blickst du auf die Abdrücke deiner,
welche stecken jetzt noch tief im Sand,
und irgendein Kind
versprüht bald diesen Sand im Wind -
dann siehst du, wie schnell deine Lebenszeit verrinnt
und dein Lebenslicht nun ungesehen im Abendlicht verglimmt!

Beeindruckt von dem tiefsinnigen und romantischen Gedicht, das sehr gefühlvoll vorgetragen wurde (welches ich nicht von einem Klabautermann erwartet hatte), fiel es mir schwer, auch nur ein einziges Wort hervorzubringen. Also räusperte ich mich erst einmal verlegen und formte dann meinen Mund zu einem tiefen "g", um das Wort "gut" mit einem anschwellenden Unterton hervorzubringen, während ungeduldig der Klabauterfreak auf seinen Applaus wartete. Er kam dann auch von mir, mit einiger Verzögerung, aber das Wort
"gut " kam dann doch nicht über meine Lippen, war es dem Vorgetragenen doch nicht angemessen, denn es war mehr als "gut"; aber "sehr gut" konnte ich nun auch nicht sagen, das wiederum war eine Klassifikation, die auch nicht zutraf - hier mußte wohl ein neues Wort, ein neuer Wert, geschaffen werden, um meine Empfindungen ausdrücken zu können. Da mir aber nichts passendes einfiel, blieb ich also stumm und klatschte nur einfach so vor mir daher. Es schien, als wäre mein neuer Freund mit dieser Geste auch einverstanden und zufrieden. Inzwischen verschwand das Meeresrauschen, die Stimmen der Tiere sowie der sanfte Wind wieder und Captain William Kidd erzählte mir mit trauriger Stimme weiter, wie die lange Reise nun zu Ende ging.

"Wir waren nach nur zwei Tagen mit dem überholen des Schiffes fertig gewesen. Eine seltsame Stimmung hatte die Mannschaft inzwischen erfaßt. Zumindest glaubte ich dies, eigentlich war ich doch nur derjenige gewesen, der so sehr in Besitz dieser eigentümlichen Gemütsverfassung gewesen war, welche so unheimlich nach Heimweh schmeckte und eine Endzeitstimmung mit sich führte. Immer öfters fiel mir auf, daß ich an meine Frau und an meine Kinder dachte, an mein Geschäft in New York, an meine Freunde dort und auch - aber sehr unglücklich - an die Herren Sir John Somers, an den Herzog von Shrewsbury, an den Graf Romney und natürlich auch an den Gouverneur von New York, seine Exzellenz Earl of Bellamont.

Eigentlich froh darüber bald die Reise zu Ende gebracht zu haben, bedrückte mich nun ein ungutes Gefühl, das ich nicht genauer erklären konnte, aber je näher der Tag kam, wo ich meine Frau, meine Kinder und all die anderen Leute wieder sehen konnte, um so stärker wurde dieses Gefühl und es war ein wenig mit Angst vermischt. Angst durfte ich aber als Kapitän eines Schiffes niemanden eingestehen, eigentlich mir selbst ja auch nicht und so versuchte ich diese Angst zu verdrängen und suchte Trost in meiner Kajüte mit einem bißchen Rum. Und sobald der Rum ein wenig zu wirken begann, wurde ich - nicht wie ich es wollte - fröhlicher, sondern noch depressiver, und wenn ich mich dann zum schlafen in meine Koje niedergelegt hatte, erinnerte ich mich immer wieder an ein altes Seemannslied, welches wundervoll die Sehnsucht der Daheimgebliebenen an die Seeleute widerspiegelte."
da drehte der Klabautermann sich ohne jede Vorwarnung dreimal um seine eigene Achse um

- wusch-wusch-wusch -

und ich hörte in der Kajüte plötzlich klagende Laute von all den Menschen die so einen Seemann vermissen könnten. Einer von ihnen spielte auf einem Schiffersklavier eine wehmütige Melodie und ein älterer Mann sang den Haupttext dieses Liedes vor, während alle anderen im Chor den Refrain sangen.

Zurück in die Heimat, Seemann

Lange warst du fort
von der Heimat,
warst in einem fernen Land.

Chor: Geh` zurück in die Heimat,
segele nach Haus` !
Auf - zurück in die Heimat!
Seemann - los, geh` nach Haus` !

Auf fremden Meeren bist du gefahren
und das schon seit vielen Jahren,
Junge, wann kommst du endlich nach Haus` ?

Chor: Geh` zurück in die Heimat,
segele nach Haus` !
Auf - zurück in die Heimat!
Seemann - los, geh` nach Haus` !

Hier wartet Mudder und Vader auf dich
und deine Marie dazu,
komm` nach Haus`, ja komm` fahre zu!

Chor: Geh` zurück in die Heimat,
segele nach Haus` !
Auf - zurück in die Heimat!
Seemann - los, geh` nach Haus` !

Wir stehen schon an der Küste,
suchend schauen wir auf`s Meer hinaus,
um dich zu erblicken, kommst du heut` nach Haus` .

Chor: Geh` zurück in die Heimat,
segele nach Haus` !
Auf - zurück in die Heimat!
Seemann - los, geh` nach Haus` !

In die Arme wollen wir dich nehmen,
deine Mudder und dein Vader, mein Kind,
komm` und schließe uns in die Arme, damit wir wieder glücklich sind.

Chor: Geh` zurück in die Heimat,
segele nach Haus` !
Auf - zurück in die Heimat!
Seemann - los, geh` nach Haus` !

Komme zurück in die Heimat, mein Sohn,
kehr` heim - zu Vader und Mudder ins Haus,
solange wir noch leben, später sonst ist es damit aus.

Chor: Geh` zurück in die Heimat,
segele nach Haus` !
Auf - zurück in die Heimat!
Seemann - los, geh` nach Haus` !

Nach dem Seemannslied wurde es zwar wieder einen kurzen Augenblick still in der Kajüte, bis der Klabautermann wieder weiter erzählte, aber diese eigentümliche Stimmung, die dieses Lied hervorbrachte und die damals auch dem Captain William Kidd befallen haben mußte, blieb zurück und erfaßte nun auch mich.

"Wir segelten in den nächsten Wochen so manchen Stützpunkt an, wie auch Anfang April 1699 die Leeward-Inseln, aber überall mußten wir feststellen, daß ein Steckbrief auf meinen Kopf ausgestellt war, welcher Befehl gab, mich und meine Crew sofort zu verhaften, wenn man unserer nur habhaft werden konnte. Nirgends konnten wir also lange bleiben, so segelten wir auch immer wieder gleich weiter. Als wir in die Mona-Passage vor der Südostküste von Hispaniola (heute Haiti) hineinsegelten, wollte es wohl der Zufall so, daß eine kleine Handelsschaluppe unseren Weg kreuzte. Wir hielten die Schaluppe an, indem wir ihr einen Kanonenschuß vor den Bug setzten und überzeugten dann anschließend den Kapitän des Schiffes, uns das Schiff zu einem fairen Preis zu verkaufen oder anderenfalls es bald als versenkt zu wissen. Gerne nahm der Kapitän jetzt natürlich das Geld an, betrachtete er es nun geradezu als ein Geschenk, wurde er ja auch mit 3.000 Stück von Achten wahrhaft fürstlich entlohnt, doch meine eigentliche Rechnung ging nicht so ganz auf, wollte ich doch nicht nur alle Schätze auf dieses kleine Schiff, mit dem hübschen Namen Antonio, umladen, sondern auch meine ganze Crew mitnehmen. Doch diese weigerte sich. Nur wenige - ganze zwölf Mann - wollten mit mir weiter segeln, bis nach New York. Die restliche Mannschaft blieb zusammen mit der Mannschaft der Antonio, samt ihres Kapitäns, auf der Quedah Merchant zurück. Sie alle wollten vom Piratentum nichts mehr wissen, hatten die meisten von ihnen hier auch nur noch den Galgen zu erwarten. Ich aber, mit meiner Zwölf-Mann-Besatzung, segelte unerschrocken mit ihnen weiter Richtung New York, wo wir im Juni des Jahres 1699 die Oster Bay erreichten. Wenige Tage später vergruben wie die Schätze auf Gardiner`s Island.

Was dann passierte, kleiner Fritz, habe ich dir ja bereits schon erzählt."
beendete der Klabautermann seine Schilderung über das Ende seiner langen und gefahrvollen Reise.

"Ja wirklich, daß hast du mir schon erzählt." bestätigte ich es ihm, "Aber nach so vielen Abenteuern und einem so schrecklichen Ende, wie du es erleben mußtest, war es sicherlich nicht leicht, als Klabautermann weiterleben zu müssen, oder?"

"Nein, das war es wirklich nicht. Oft habe ich mir gewünscht, ein ganz normaler Sterblicher zu sein, denn das Leben als Klabautermann ist ein hartes Los und man ist oft sehr einsam."

"Hast du denn überhaupt keine Freunde, die dich mal besuchen kommen? " fragte ich ihn daraufhin.

"Nein, Freunde habe ich hier nicht, obwohl es ja noch mehr Klabautermänner auf dieser Welt gibt. Und je mehr Schiffe auf den Weltmeeren fahren, um so größer wird auch die Anzahl der benötigten Klabautermänner, um diese schwimmenden Inseln und ihre dort darauf arbeitenden Menschen schützen zu können. Doch man sieht sich nur selten. Jeder ist mit sich selbst genug beschäftigt. Nur hin und wieder, wenn die Vereinigung der Klabautermänner zur Jahresversammlung lädt, dann treffen sich alle, wo jeder viel zu erzählen hat und es wird immer ein ganz großes Fest daraus gemacht."

"Mann, davon mußt du mir aber auch etwas erzählen!" forderte ich Captain William Kidd auf und der Klabautermann erzählt mir sogar gerne und voller Stolz die Geschichte über das letzte Klabautermanntreffen auf der Cutty Sark.

Klabautermann